NoiseTalk_Mirja Wellmann
Was bedeutet eigentlich der Begriff Zuhören?
Unseren Hörsinn nutzen wir alle tagtäglich und es erscheint völlig selbstverständlich: das Smartphone meldet sich akustisch, Ansagen auf dem Bahnhof vermelden Verspätungen, in der Straßenbahn werden wir mit einem penetranten Piepton vor dem Schließen der Türe gewarnt. Hören navigiert uns durch unsere Welt – ist aber eigentlich eine Nebensache, ein Surplus in unserer visuell dominierten Welt, die auf etwas anderes verweist.
Vielleicht bedarf es deshalb einer Künstlerin, die Spezialistin für das ZU_Hören ist, die ganz ihre Ohren öffnet und sich einer Klangumwelt über Stunden ausliefert, sich in dieser verliert und dennoch den Weg ihrer Hörerfahrungen akribisch dokumentiert.
Mirja Wellmann ist diese Expertin der bewussten auditiven Wahrnehmung, dennoch nutzt sie die gleichen Ohren wie wir alle. Allerdings setzt sie diese als Mittel Ihrer Kunst ein, die für die Welt der Klänge sensibilisiert. An erster Stelle steht für sie das konzentrierte, achtsame Hinwenden zur Hörerfahrung – hier speziell in der ‚unberührten’ Natur der Schwäbischen Alb. Diese Erfahrung ist und wird immer eine sehr intime, persönliche und zeitbezogene sein; denn wir stehen immer im Mittelpunkt unserer eigenen Hörwahrnehmung und dieses im Ichsein ist nicht unmittelbar mitteilteilbar. Mirja Wellmann nutzt nun Ihre Stimme zur Vermittlung dieser Erfahrung und fokussiert unsere Aufmerksamkeit in und auf Orte, die wir nicht kennen. Sie hat für uns Räume und Situationen in einer Klangexpedition erforscht und lädt uns ein, an ihrer Stelle stellvertretend an diesem Ort Platz zu nehmen und unsere Ohren zu öffnen – mehr noch – unser Selbst zu öffnen. Wichtigste Grundlage dazu ist Unvoreingenommenheit: wir nehmen hörend die Welt war, ohne Werten und Kommentierung. In dieser Offenheit hinein hören wir die Klänge und hören die Stimme Mirja Wellmanns als eine Art Echo in der Zeit, welches Mirjas Hörerfahrung widerspiegelt.
Was könnte man über diesen wunderbar berührenden Prozess in all seine Poesie nicht alles sagen, welche Philosophen könnten wir zitieren und welche ästhetischen Konstrukte aufbauen…
Lassen wir das doch beiseite und öffnen wir einfach unsere Wahrnehmung für fallenden Schnee, für knisterndes Feuer, schwebende Vögel und rasselndes Eichenlaub und erfahren all die Schönheit und Aufrichtigkeit der Wahrnehmung, die sich so eben nur über das ZU_Hören mit bewussten Sinnen vermittelt.
Danke Mirja, dass Du uns auf Deine Suche mitnimmst und Deine Ohren für uns geöffnet hast!
Peter Kiefer