Martin Meixner – Matchtape
Recordings 23.–25.02.2018 at White Fir Studio
180g black vinyl, date of release: October 26, 2018
Martin Meixner – Hammond Organ, Wurlitzer Piano, Synthesizer
Jörg Teichert – Guitars
Christian Huber – Drums
Eine Hammond ist eine Hammond. Eine Orgel wie keine. One of a kind. Nichts klingt wie sie. Selbst die Nähe zum Elterninstrument, der Pfeifenorgel, ist relativ und bleibt es. In den Händen eines guten Spielers wird der Sound einer Hammond B3 organisch, so, als wäre da gar kein Spieler. So betrachtet, ist Martin Meixner gar nicht anwesend.
Aber das ist Konjunktiv. Metaphysisch. Nichts, womit die neue exzellente Kapelle des Stuttgarter B3-Spielers sich befasst. Matchtape (dt.: Anzündband, Zündschnur) heißt sie und wird dem Namen gerecht: Permanenz, Funk(en), Zugriff, Hüfte. Sukzessive nehmen die Dinge ihren Lauf:
Lässige Gitarrenakkorde im Raum, Hi-Hats, Holz und Rimshots treffen ein. Eine dicke dreisilbige Bassfigur von den Bass pedals, die Fragmente geraten in Beziehung. Dann der Griff des Organisten in die Manuale, und da ist er – der Groove. Das Gefühl des Umspültwerdens von geschmeidigem Soundkakao, von Punkten und Linien stellt sich ein. Singen aus dem Subraum der Orgelakkorde. Atmung. Behagen im Zwerchfell: „Good Morning“.
Musik mit Stoffwechsel, die der große Jimmy Smith in den ‘50ern mit seinem ersten organ trio in die Welt setzte. Jazz aus Swing, New-Orleans-Funk und Be-Bop auf der stämmigen Grundlage von Blues, R&B und Gospelresten. Eine hybride Spielart, die immer auch gute Portionen relevanter Populärmusik durch die Dekaden mitnahm und ‑nimmt. Funk, Jazz-Rock, Hip Hop, Elektronik, Pop. Tanzbar und alterslos. Siehe Medeski Martin & Wood. Oder Sam Yahel, New Yorker B3-Spieler in der Elastic Band des Saxofon-Granden Joshua Redman, dessen moderne Herangehensweise mitentscheidend war für Martin Meixners Hinwendung zur Hammond. Zum organ trio. “Back to the future with solid vintage sound.”
Meixner (org, wurlitzer-pi), Schlagzeuger Christian Huber und Gitarrist Jörg Teichert (Jahrgang ’80/’81) trafen sich beim Musikstudium in Mannheim. Grenzgänger-Individuen mit Erfahrungen zwischen Stax- und Motown, Xavier Naidoo, Talkmaster Pierre M. Krause, Improv, Folk, (Punk-)Swing, Fusion, Schmutzblues u. v. a.. Versierte Instrumentalisten mit verlässlichem Gespür für das Wesentliche, Menschen mit Fingerabdrücken und Herzschlag, denen Purismus ebenso fern scheint wie Antisepsis und Effekthascherei. „Die Verbindung von Mensch zum Instrument und die damit fließende positive Energie“, bringt Meixner es auf den Punkt.
Meixners Album glänzt entsprechend. Das Trio kennt und spielt die Bop‑, Funk- und R&B‑Basics seiner Spielart, bekennt sich ohne Vorbehalt zum (sophisticated) Pop und gewinnt. Nach dem Opener rockt „Buttercake“mit abstrahierter Duane-Eddy-Gitarre, das country-esque „On The Road Again“ hat einen Disco-Bass. „Take It Easy“ ist Ambient am Rastplatz, „Overstuffed“ ’70er R&B für die ’90er. „Across Country“ goutiert Bill Frisell, und „Coming Home“ ist Americana, als hätte Wim Wenders es gefilmt.
Ja, dies ist ein organ trio, die Stücke stammen ausnahmslos vom Organisten. Drums und Gitarre bei Matchtape sind allerdings kaum weniger präsent als die Hammond in ihrer Unvergleichlichkeit, die „…wimmert und schnurrt (…), macht schöne Augen und packt dich schließlich doch am Hals” (Harald Ruppert, Südkurier). Meixner ist ein Könner, der zweifellos um die Exzellenz seiner zwei Kollaborateure weiß; ein Star mit schattiger Rhythmusgruppe ist er nicht. Dies ist eine Band!
ROLF JÄGER